Der Minnesang

Der Minnesang ist die höfische Lyrik, deren Grundthema die Minne (d.h. die verehrende Liebe) ist. Der Ritter (der Dichter) widmet einer adligen Frau, einer höher gestellten Dame, seine Liebesdichtung. Es ist eine konventionelle Standespoesie, die bestimmten Regeln folgt. Die Minnesänger waren nicht nur Dichter sondern auch Musiker und Sänger, weil sie zum Text auch die Melodie komponierten und das Lied vor dem adligen Publikum der Höfe vortrugen, mit Begleitung einer Kniegeige. Nur wenige von diesen Melodien sind erhalten, und die Dichtungen sind getrennt in mehreren Sammelhandschriften zu uns gekommen.
Einer der bedeutendsten Dichter dieser Epoche ist Walther von der Vogelweide, der größte Lyriker des deutschen Mittelalters, der aber neue Grundthemen hatte. Seine Gedichte sind einem einfachen Mädchen gewidmet, und nicht einer adligen und schon verheirateten Dame, und man spricht über eine gegenseitige Liebe, weil das Mädchen die Liebe des Dichters nicht ablehnt.

Walther von der Vogelweide



Walther von der Vogelweide, Heidelberg Universitäts-buchhandlung

Leben

Walther von der Vogelweide war der größte und bedeutendste Lyriker des deutschen Mittelalters. Er war ein Minnesänger und politischer Spruchdichter. Der Minnesang ist die höfische Lyrik, deren Grundthema die ,,minne" ist, d.h. die Liebe. Er ist um 1170 im heutigen Niederösterreich geboren. Im Jahr 1190 kam er an den Babenberger Hof zu Wien. Als 1198 sein Gönner, der Herzog Friedrich von Österreich, auf einem Kreuzzug starb, musste Walther den Wiener Hof verlassen. Er begann ein langes Wanderleben und sang an verschiedenen Höfen. Er lernte aber Not und Armut kennen und war auf die Gunst seiner jeweiligen Gönner angewiesen. Erst Friedrich II. erfüllte seinen Wunsch und schenkte ihm ein Lehen.
In der Auseinandersetzung zwischen Kaisertum und Papsttum war er auf der Seite des Kaisers und gegen den Papst.
Walther von der Vogelweide war sehr bedeutend, weil er den höfischen Minnesang zur höchsten Vollendung gebracht hat. Er hat 500 Strophen, 90 Lieder, unter denen das Palästinalied sehr berühmt ist, und 150 Sprüche verfasst.
Er starb um 1230 in Würzburg.

Nemt, frouwe, diesen Kranz

In diesem Gedicht gesteht der Mann seine Liebe und schenkt der Frau das einzige, was er sich leisten kann: einen Kranz, der aus weißen und roten Blumen besteht. Er will ihr einen Kranz schenken, der aus edlem Gestein gemacht ist, aber er kann das nicht machen, so gibt er ihr seine Liebe und die Natur: die Blumen, die Vögel.
Der junge Mann will auch mit dem Mädchen tanzen und er kann das machen, weil seine junge Frau ein einfaches Mädchen aus dem Volk, keine hohe, verheiratete Dame ist.

Das Verhältnis zwischen Mann und Frau war nämlich in Walther von der Vogelweides Zeit konventionell, und die Liebe zwischen den beiden war unmöglich. Er ändert und modernisiert das. Seine Liebe spielt in einer Natur, die alles möglich macht, so kann er mit seiner Frau sein.
Dieses Gedicht gefällt mir, weil Walther von der Vögelweide die Ideen von den Minnesängern seiner Zeit ändert. Die Liebe zwischen einer Frau und einem Mann ist möglich und schön. Er schenkt ihr seine Liebe, sie sind frei und sie können alles machen, was sie wollen.



,,Nemt, fouwe, diesen kanz!"
alsô sprach ich zeiner wol getânen maget,
,,sô zieret ir den tanz,
mit den schoenen bloumen, als irs ûffe traget.
het ich vil edele gesteine,
obe ir mirs geloubet.
sêht mîne triuwe, daz ichz meine.

ir sît sô wol getân,
daz ich iu mîn schapel gerne geben wil,
daz beste daz ich hân.
wîzer unde rôter bloumen weiz ich vil.
die stênt sô verre in jener heide.
dâ si schône entspringent
und die vogele singent,
dâ suln wir si brechen beide."









,,Nehmt, Herrin, diesen Kranz!"
So sagte ichzu einem wunderschönen
Mädchen.
,,Dann schmückt ihr denTanz
mit den schönen Blumen, die ihr auf dem Kopf
tragt.
Hätte ich viel edles Gestein,
das müβte auf euer Haupt, wenn ihrmir das
glauben wollt.
Seht, wie ehrlich ich es meine.

Ihr seid so schön,
daβ ich euch meine Kranz mit Freunden
schenke,
den besten, denich habe.
Weiβe und rote Blumen weiβ ich viele.
Die stehen da fern auf jener Heide,
wo sie scöhn sprieβen
und die Vögel singen,
da wollen wir sie miteinander brechen."



Unter der Linde

"Unter der Linde" ist ein mittelalterliches Gedicht, das zur höfischen Ritterdichtung gehört. Es wurde von Walther von der Vogelweide geschrieben, der im Unterschied zu den anderen Minnesängern einem einfachen Mädchen und keiner adligen Frau seine Lieder widmet.
Das Mädchen ist auch anders, weil es die Gefühle des Dichters erwidert.
Das Thema des Lieds ist nämlich die Erinnerung eines Mädchens an seine Liebesgeschichte.
Es erinnert sich daran, als es auf die Wiese und unter eine Linde kam, wo sein Mann schon auf es wartete, und beschreibt das Lager, aber sagt nicht, was sie zusammen machten, weil es sich schämt und will, dass niemand auβer der Nachtigall und ihr das wissen, denn die Nachtigall kann nicht sprechen.
In diesem Gedicht, wie in "Nemt, Frouwe, diesen Kranz", ist die Landschaft sehr wichtig und es gibt viele symbolische Elemente wie zum Beispiel das Blumenbrechen, das die Defloration repräsentiert.
Man kann verstehen, dass die Minnesänger drei Rollen spielten: sie schrieben die Gedichte, dann komponierten sie die Musik und sangen das Lied am Hof, mit Begleitung von der Kniegeige oder von anderen mittelalterlichen Instrumenten, so waren sie Dichter, Musiker und Sänger.
Diese Situation spielt in einer glücklichen Epoche für diese Leute dank dem aufgeklärten Herrscher Friedrich II, der sich sehr für die Kultur interessierte und sich mit Gelehrten umgab und mit dem die Mode von den Minnesängern am Hof begann.


Mittelhochdeutsch

Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
Dâ mugt ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
Vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.

Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
Dâ wart ich enpfangen,
here frouwe,
daz ich bin sæl ic iemer mê.
Kuste er mich? Wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht, wie rôt mir ist der munt.

Dô het er gemachet,
also rîche
von bluomen eine bettestat.
Des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
Bî den rôsen er wol mac,
tandaradei,
merken, wâ mirz houbet lac.

Daze er bî mir læge,
wessez iemen
- nu enwelle got!- sô schamt ich mich.
Wes er mit mir pflæge,
niemer niemen
bevinde daz wan er und ich -
Und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
taz mac vol getriuwe sîn.

Neuhochdeutsch

Unter der Linde
auf der Heide,
wo unser beider Langer war,
da kann man sehn
liebevoll gebrochen
Blumen und Gras.
Vor dem Wald in einem Tal
- tandaradei -
sang schön die Nachtigall.

Ich kam gegangen
zu der Wiese,
da war mein Liebster schon vor mir gekommen.
Da wurde ich empfangen
- Heilige Jungfrau! -
daß es mich immer glücklich machen wird.
Ob er mich küβte? Wohl tausendmal,
- tandaradei -
seht wie rot mein Mund ist.

Da hatte er bereitet
in aller Pracht
von Blumen ein Lager.
Daran wird sich freuen
von Herzen,
wer daran vorübergeht.
An den Rosen kann er noch
- tandaradei -
sehen, wo mein Kopf lag.

Daß er bei mir lag,
wüßte es jemand
- da sei Gott vor! - so schämte ich mich.
Was er tat mit mir,
niemals soll jemand
das erfahren als er und als ich -
und die liebe Nachtigall,
- tandaradei -
die wird gewiβ verschwiegen sein.